Lüpertz-Glasfenster in St. Ulrich

Raum erstrahlt nun

REGENSBURG – Regensburg ist um eine Kunstattraktion reicher: Die Kirchenfenster des Künstlers Markus Lüpertz in der Museumskirche St. Ulrich am Dom sind fertig. In Rahmen eines Festaktes segnete sie Diözesanbischof Rudolf
Voderholzer und übergab sie damit der Öffentlichkeit.

Die beiden Fassaden-Rosetten leuchten beim Betreten des Gottes­hauses – und tauchen den früh­gotischen Kirchenraum in eine geradezu heitere Atmosphäre. Die stark in Felder unterteilte Rosette an der Westseite wird von einem lachenden Engel dominiert: Er schmunzelt, während er die Hände nach oben ausstreckt und die Menschen ins himmlische Paradies erhebt.

Dabei erinnert er an den lachenden Engel, die berühmteste Figur aus dem Regensburger Dom gleich nebenan. Im oberen Teil der Rosette herrschen Licht und Fröhlichkeit. Die dunkle untere Hälfte des Runds fokussiert sich mehr auf die Vergänglichkeit und Verdammnis auf Erden. Totenköpfe sind zu erkennen. Der Maler und Bildhauer Markus Lüpertz hat in St. Ulrich eine hoffnungsvoll-christliche Vision für die Menschheit gezeichnet.

In seiner Rede würdigte Bischof Rudolf Voderholzer Markus Lüpertz sowohl als großen Künstler als auch als Theologen. Regensburg werde um ein bemerkenswertes und schönes Kunstwerk, das zugleich ein ästhetisches wie auch ein geistlich ansprechendes Ensemble ist, reicher. Die bunten Glasfenster fügten sich wunderbar in die lange Tradition christlicher Kunst von St. Ulrich, jener Kirche im Herzen der Stadt, die, neben dem gotischen Dom St. Peter gelegen, in ganz besonderer Weise den Übergang von der Architektur­epoche der Romanik in die Gotik spiegele. Das Lichtwerden der Gotik, das Zurücktreten der Schwere des Raumes zugunsten einer ­feingeistigsten Helligkeit, einer Metaphysik des Lichtes, sei es, die dem Raum jene schwebende Kraft verleihe, ihn quasi auflöse und zum Erstrahlen bringe. Das Licht als Zeichen der göttlichen Helligkeit löse die Materie im strahlenden Farbglanz auf, zeitige sich als Abbild des Himmlischen Jerusalems. 

Markus Lüpertz, so Bischof Rudolf, trage mit seinen Glasfenstern in der Ost- und Westrosette dazu bei, dass die Strahlkraft der Kirche im 21. Jahrhundert eine neue Dimension erhalte. Das neue Ensemble „hat eine wunderbare, auch geistliche Aussage, der im Osten aufgehenden Sonne“, die das Licht Jesu Christi repräsentiere. Der heilige Ulrich einerseits verkörpert diese Lichtgestalt, die das Licht durchlässt, das ihm von Christus selber geschenkt ist, und der Fisch andererseits steht für die Symbolik, dass die ganze Kirche ein Schwarm von Fischen ist. Ost- und Westrosette bilden eine Einheit – denn sie symbolisieren den Beginn des Tages und den anbrechenden Abend, der die Menschen daran erinnert, dass dem Geheimnis des Lebens die Dunkelheit folgt, das Leben nach dem Tod. Mit den neuen Fenstern von Markus Lüpertz hat sich ein Kreis geschlossen, der zugleich für die Maxime steht: „Lebe so, dass du dem Licht entgegengehst und dich vom Engel ins Elysium sozusagen führen lässt.“ 

Ausdrücklich würdigte Bischof Rudolf nicht nur die Verbindung 

zwischen figürlicher Kunst und guter Theologie, sondern befand: „Das, was Lüpertz über das Phänomen des Glaubens als anthropologischem Grundphänomen gesagt hat, gehört zum Klügsten, was ich darüber gehört und gelesen habe. Die ‚Sachverhalte‘ sind nicht das Wichtigste im Leben. Vielmehr sind es die Personen. Die wichtigsten Dinge im Leben kann man überhaupt nur wissen, wenn man sie sieht, wenn man sich auf einen anderen Menschen, auf ein Gegenüber einlässt.“ Glauben, so der ehemalige Professor für Dogmatik, sei nicht, wie viele meinten, eine mindere Form des Erkenntnisgewinns, sondern eigentlich die höchste Form des Erkenntnisgewinns. „So habe ich Sie damals verstanden, und Sie haben auch für sich selber und Ihre Kunst diese Form des Wohlwollens immer in den Mittelpunkt gerückt“, sagte der Bischof an den Künstler gerichtet.  

Den vielen Festgästen wünschte Bischof Rudolf, dass auch sie den Zugang zur Kunst als Ausdruck eines Bekenntnisses auf eine Weltsicht wahrnehmen. Kirche sei, so Bischof Rudolf bezugnehmend auf eine Aussage von Lüpertz, nicht nur ein Verein zur sozialen Hilfestellung, sie sei vielmehr auch eine Heimat, die einen ungeheuren Schatz an kulturellem Ausdruck, an Schönheit und an Symbolkraft überliefere. 

Mit Spannung hatten die Festgäste erwartet, wie der fast 800 Jahre alte Kirchenraum aus der Zeit der Frühgotik aussehen würde, wenn Lüpertz ihn mit seinen expressiven Figuren und seiner kraftvollen Farbigkeit ausstattet. Der 82-Jährige gestaltet seit Langem Kirchenfenster: ob für die Kölner Dominikanerkirche St. Andreas oder die Bamberger Elisabethkirche. Meist reagieren die Kirchengemeinden euphorisch auf die Kunst Lüpertz’. Streit gab es nur in der Marktkirche in Hannover, für die er ein zwölf Meter hohes Reformationsfenster entworfen hat. Doch auch der ist mittlerweile beigelegt.

Seine Entwürfe hatte Lüpertz 2021 zu einer Ausstellung in St. Ulrich mitgebracht. „Wir kannten nur die Entwürfe, als ich zum ersten Mal in der Glasmalwerkstatt in Taunusstein war. Ich war sehr aufgeregt, wie es umgesetzt aussieht“, sagt Maria Baumann, Leiterin der Kunstsammlungen der Diözese Regensburg. Nach dem Einbau der Fenster ist Baumann „sehr glücklich, dass dieses Leuchten der Museumskirche St. Ulrich eine ganz andere Atmosphäre gibt“. Zum einen habe Lüpertz in seiner Glaskunst in der Tradition des Mittelalters gearbeitet. Bleistege verbinden die etwa 2000 einzelnen Glasstücke miteinander, „genauso wie in der Zeit der Gotik gearbeitet wurde“. Zum anderen nehme Lüpertz die christliche Bildsprache auf. An den Glaskunstwerken sei zu spüren, dass er sich nicht gegen den Raum positioniere, sondern sein Werk zwar mit eigenem Akzent, aber dennoch organisch und stimmig einfüge, betont Baumann. 

Gabriele Ingenthron / Stefan Groß

02.08.2023 - Bistum Regensburg